Team:Heidelberg/Press

From 2008.igem.org

Revision as of 22:40, 29 October 2008 by Heidelberg2008 (Talk | contribs)
(diff) ← Older revision | Latest revision (diff) | Newer revision → (diff)


FAZ Germany.gif

07.10.2008, F.A.Z., FORSCHUNG UND LEHRE (Feuilleton), Seite 43 - aus D1N, D2, D3, R


Krieg im Brutkasten der Biotechnik

An Killerbakterien basteln und Beutezüge simulieren: Die Ferienarbeit von Elitestudenten aus Heidelberg soll jetzt in Amerika am MIT gekrönt werden. Ein Laborbesuch. Wenn es stimmt, dass der Begriff "Elite" inzwischen seinen Beigeschmack an den Hochschulen dieses Landes verwirkt hat, dann könnte es sein, dass das gleiche Kunststück bald mit der Gentechnik gelingt. Erfolg scheint auch hier das Rezept zu sein. Und der ist einer Gruppe von sechzehn Heidelberger Studenten regelrecht auf den jugendlichen Leib geschneidert. Sie sind auserwählte Undergraduates - Studienanfänger also, die schon in den ersten Semestern den Jargon der Postdocs pflegen, deren Ehrgeiz nicht erst entflammt werden muss und die sich deshalb auch ganz ungeniert mit Gleichaltrigen in Harvard, Cambridge und Tokio messen wollen. In wenigen Wochen wird es so weit sein. Dann nehmen sie hoffentlich auf ihrem Flug zum Massachusetts Institute of Technology (MIT) an der amerikanischen Ostküste mit, was einer Doktorandengruppe zur Ehre gereichen würde, den meisten Außenstehenden allerdings Respekt und einen mächtigen Schrecken einjagen dürfte. Die sechzehn Studenten nämlich werden bei dem "iGEM"-Wettbewerb am MIT das Rezept für eine Art Killerspiel mit gentechnisch erzeugten Kolibakterien abliefern. Das Kürzel "iGEM" steht für "International Genetically Engineered Machines Competition" - ein Wettbewerb unter Bioingenieuren also. Es geht, genaugenommen, um synthetische Biologie, eine noch recht junge, aus der Gentechnik und der Bioinformatik hervorgegangene Disziplin, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Lebewesen praktisch wie Flugzeuge zu konstruieren und aus Einzelteilen zusammenzubauen. Nicht gerade eine studentische Spielwiese, sollte man meinen. Doch der vor fünf Jahren am MIT begonnene und im Jahr 2005 mit dreizehn Mannschaften international erweiterte Wettbewerb zeigt, dass der Biotechniknachwuchs allzu gerne sein schöpferisches und strategisches Potential ausreizt.

Dieses Jahr erwartet man 85 Gruppen in Cambridge. Drei davon kommen aus Deutschland, neben dem Heidelberger Team werden Studenten aus Freiburg und München an den Start gehen. Es gilt, Goldmedaillen und vielleicht einen Hauptpreis zu ergattern und dabei natürlich - das gehört in der Altersgruppe der Achtzehn- bis Dreiundzwanzigjährigen naturgemäß dazu - auch noch Spaß zu haben. Gemäß dem Motto: Wer Killerbakterien kreiert, ist längst nicht lebensmüde. In diesen Tagen allerdings ist der ganze Ernst der Studenten gefragt. Es sind eigentlich die Wochen vor Semesterbeginn. Für sie sind die Semesterferien mit Laborstress verbunden. Während die Studenten an den Werktischen des hochmodernen "Bioquant"-Zentrums im Neuenheimer Feld an ihrer biosynthetischen Erfolgsformel feilen, geht ihr Gruppenleiter, Roland Eils, Professor an der Universität Heidelberg und Abteilungsleiter am Deutschen Krebsforschungszentrum, in der Umgebung Klinken putzen. Mittel für Flug und Unterkünfte in Cambridge wollen eingeworben werden. Drittmittel für Studienanfänger gibt es nicht. Doch einige in der Privatwirtschaft, sagt Eils, seien Feuer und Flamme für die Elitestudenten. Sponsoren können rechnen. Und Eils, von Hause aus Mathematiker mit Hang zur Computerlinguistik, rechnet ihnen geschliffen vor, wem die Tausender zugutekommen: "den Besten der Besten".
Für die vierzig Studienplätze, die die Universität Heidelberg jedes Jahr im "Elitestudiengang" Molekulare Biotechnologie zu besetzen hat, laufen Jahr für Jahr mehr als tausend Bewerbungen ein. Und die besten zehn Prozent dieser inzwischen 120 Biotechnologie-Studenten nehmen am iGEM-Wettbewerb teil. Dazu vier ausgesuchte Studenten der Mathematik und Biologie. Für diese gilt, was für alle Biotechnolgie-Teilnehmer gilt: Eine Eins im Abitur reicht nicht. Wer sich mit dem Harvard-Nachwuchs messen will, muss schon früh durch seine erfolgreiche Teilnahme an "Jugend forscht", an Chemie-Olympiaden oder an entsprechenden Schülerprojekten einiges an naturwissenschaftlicher Reife an den Tag gelegt haben.

In Heidelberg jedenfalls, das lässt Eils selbstbewusst durchblicken, macht man in dieser Hinsicht keine Kompromisse. Der erweiterte Spielraum der Institutsleitungen bei der Auswahl des Nachwuchses wird komplett ausgeschöpft. Welche Aufgaben dann solcherart vorgeschulte und offenbar auch in den Semesterferien spielend leicht zu motivierende Studienanfänger schon anzupacken bereit sind, zeigt das iGEM-Projekt aufs allerschönste. Maria Münch beispielsweise ist zwanzig Jahre alt. Die Wahrscheinlichkeitstheorie und die Statistik sind ihre persönlichen Favoriten. Für den iGEM-Beitrag aber gibt sie sich als Meisterin der Differentialgleichungen und der Algorithmen. Als verantwortliche Modelliererin soll Münch zusammen mit Kolja Schleich, einem zweiundzwanzigjährigen "Mobi" - so werden Studenten genannt, die den Lehrgang Molekulare Biotechnologie gewählt haben -, die einzelnen Vorgänge in dem biosynthetisch erzeugten Killerspiel der Kolibakterien auf einem Rechner simulieren.
Das Erzeugen eines so komplexen Computermodells hat jedoch seine Tücken. Am Ende, wenn alle Bausteine passen, könnte man auf dem Bildschirm Zeuge eines Mikroben-Kleinkrieges werden, der von den Studenten wahrhaftig in der Petrischale provoziert wurde. Gegenüber stehen sich dabei zwei Kolibakterien: der "Killerstamm" auf der einen Seite und der "Beutestamm" auf der anderen Seite. Die Aufgaben der Mikroben sind klar. Die Aufgabe der Studenten besteht nun darin, eigentlich harmlose Darmbakterien durch die Nutzung vorproduzierter DNS-Bausteine, die vom iGEM-Veranstalter konserviert und getrocknet in einer Art Briefmarkensammlung für Geningenieure bereitgestellt werden, in veritable Kriegsteilnehmer zu verwandeln. Jede Gruppe bedient sich - wie es die eigene Strategie erlaubt - dieser in der Genbibliothek angelieferten DNS-Werkzeuge. Im November dieses Jahres werden dann die Planung und die Verwirklichung des biotechnischen Kriegsspiels, das sich wahlweise gegen andere Bakterienstämme oder gegen Tumorzellen richten kann, von den Juroren am MIT bewertet.

Der mikrobiologische Schlachtplan der Heidelberger Studenten enthält zwei entscheidende Schritte. Zuerst müssen die "Killerbakterien" ihre Beute erkennen und zielgerichtet darauf zuschwimmen, und zum anderen muss das "Tötungsmodul" sicherstellen, dass mit Hilfe eines Bakteriengifts die Beute gezielt ausgeschaltet wird. Ein durchaus prekärer Plan. Denn es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass die Killerbakterien selbst von dem sorgfältig ausgewählten Bakterientoxin ausgelöscht werden. Damit das nicht geschieht, wird der Killerstamm mit einem Immun-Gen gegen dieses Gift ausgestattet. Aufspüren, infizieren und leise töten - ein mikromilitärischer Schlachtplan mit praktischen Hindernissen. Während dieser Tage etwa die anderen jungen Geningenieure versucht haben, ihre "Killerbakterien" gentechnisch so zu verändern, dass diese ihre Beute sicher erkennen und sich direkt darauf zubewegen, benötigte die "Simulationsgruppe" von Maria Münch und Kolja Schleich entsprechende Parameter und Daten. Manches muss deshalb, wenige Wochen vor Abgabetermin, noch aus bereits veröffentlichten Daten hergeleitet werden.

Für kleine Fehler sorgt man dagegen schon mal selbst. An einem Tag - es war der Tag, bevor die "Killing-Gruppe" ihren ersten Erfolg in der Petrischale verbuchte - ist der Zentralserver am "Bioquant" buchstäblich in die Knie gezwungen worden, nachdem die Simulationsgruppe einen kleinen Programmierfehler eingebaut hatte. Jan Eufinger, einer der "Instruktoren" und Ratgeber der Gruppe, nimmt das ebenso gelassen und sportlich wie Angela Oberthür, die Koordinatorin im Bioquant-Haus, in dem die Studenten praktisch jeden einzelnen ihrer Ferientage verbringen: "Ganz glatt läuft das selten ab, auch in der Laborpraxis später."
Wenn es nur die technisch bedingten Fallstricke wären, die den Studenten das Leben bisweilen schwermachen. Anna Stöckl, eine einundzwanzigjährige Biologiestudentin, und Dominik Niopek, ihr gleichaltriger Kommilitone aus dem "Mobi"-Studiengang, haben zusammen mit Philipp Bayer, einem angehenden Biologiestudenten, bei allem schöpferischen Drang die gesellschaftlich-moralische Dimension ihrer Ferienarbeit in den Blick genommen. Solche ethischen Reflexionen sind eine längst schon klassische Übung für ambitionierte Biotechniker. In einem Essay, das auf einer Umfrage in der Heidelberger Fußgängerzone fußt und zum Erfolg des Heidelberger iGEM-Projekts beitragen soll, versuchen sie, den amerikanischen und japanischen Studenten zu erläutern, weshalb es in Deutschland mit der Akzeptanz für Gentechnik noch immer so holprig vorangeht.
Die Heidelberger Nachwuchswissenschaftler wollen sich also keineswegs nur im Erfolg ihrer Forschung sonnen. Nicht nur, dass sie die biotechnischen Dinge mit ihren selbstgewählten Begriffen wie "Killerbakterien" und "Beutestamm" beim Namen nennen, sie beweisen mit ihrer ethischen Reflexion am Ende auch den grundsätzlichen Willen zur Verantwortungsübernahme. Von welcher Elite sonst könnte man das heute schon uneingeschränkt behaupten?
JOACHIM MÜLLER-JUNG


Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH Alle Daten und Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Die Verwendung ist nur zum eigenen dienstlichen Gebrauch möglich. Nicht gestattet sind insbesondere jegliche Weitergabe an Dritte, Vervielfältigung sowie mechanische und oder elektronische Speicherung. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Inhalts der Beiträge besteht keine Haftung und Gewährleistung. Autor/en: Müller-Jung, Joachim

Themen: Wissenschaft, Ausbildung

Unispiegel, October 2008

Article in Unispiegel

Podcast on iGEM Team Heidelberg, 17. Sep.

While the Heidelberg project is progressing rapidly, the team enjoys more PR. In this podcast of the Ruperto-Carola University Professor Eils explains the Heidelberg project in the context of Synthetic Biology to the public. radio report

Prometheus TV, 17. Sep.

Prometheus.jpg

Today the Heidelberg team welcomed Prometheus TV - a modern and Internet based broadcaster on science - to communicate synthetic biology and explain its work to the public. Watch the broadcasting here.





Campus TV, 29. Aug.

Interview klein.jpg

On Friday 29th of august we had a visit of journalists from each Campus TV and from the FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung). We had a great time gaining first experience as "TV stars". There will soon be reports of our team and our project in the media. The Video will soon be available here.